In Zusammenarbeit mit Fire Safety Training und dem Maritimen Kompetenzzentrum fand Ende September erneut das Sea-Survival Training in Elsfleth nahe Bremen statt. Seit 20 Jahren bietet die AOPA-Germany diesen zweitägigen Lehrgang an. Vermittelt werden Methoden zur Selbstrettung aus einem notgewasserten Luftfahrzeug und deren sichere Beherrschung.
Nach Anreise aller 12 Teilnehmer am Freitagvormittag starteten wir mittags nach der überaus freundlichen Begrüßung durch Tobias Schultze (Geschäftsführer Fire Safety Training) und einer Vorstellungsrunde mit einer umfassenden theoretischen Einweisung. Die sehr interessante, spannende und kurzweilige Unterweisung deckte die unterschiedlichen Facetten im Falle einer Notwasserung ab:

– Notfallbriefing der Insassen
– Evakuierung des Flugzeugs
– Welche unterschiedlichen Rettungsmittel (Überlebensanzug, Rettungsweste, Atemhilfen, Rettungsinsel) gibt es und wie sind diese zu benutzen?
– Was gibt es beim Kauf von Rettungsmitteln zu beachten und wieso ist eine individuelle Beratung so wichtig?
– Welche Gefahren drohen notgewasserten Piloten und den weiteren Insassen? Mit welchen Methoden kann man sich bspw. vor Unterkühlung, dem Erfrieren oder dem Ertrinken schützen?

Zwei Aspekte bleiben allen Teilnehmern besonders im Gedächtnis:
1. Die Rettungsweste muss zwingend eine mit manueller Auslösevorrichtung sein. Automatikwesten können zur Todesfalle werden, z.B. wenn das Flugzeug in Rückenlage versinkt und die Kabine vollläuft.
Es ist im Falle einer ausgelösten Automatikweste unmöglich nach unten zu schwimmen und Türen oder Fenster zu öffnen sowie die Evakuierung einzuleiten.

2. Die 1-10-1-Regel:
In der ersten Minuten nach dem Eintauchen ins kalte Wasser folgt der Kälteschock. Es ist zweifelsohne die gefährlichste Phase. Das Schnappen nach Luft und die Hyperventilation zu verhindern, d.h. Ruhe zu bewahren und nicht in Panik auszubrechen ist leichter gesagt als getan aber überlebenswichtig. Der Körper beruhigt sich in der Folge, jedoch muss in den nächsten 10 Minuten die verbleibende Kraft genutzt, um die Selbstrettung in eine Rettungsinsel oder auf ein Wrackteil vorzunehmen. Zielstrebiges Bewegen ist danach unmöglich. Es gilt: Hauptsache raus aus dem Wasser! Denn im Anschluss verbleibt sonst nur noch etwa eine Stunde nutzbares Bewusstsein, um sich aufzuwärmen.
Wichtig ist, dass die Ausführung einer Notwasserung nicht Bestandteil des Trainings ist. Diesen Aspekt diskutieren die teilnehmenden Piloten unter sich ausführlich.
Aufgabe des Trainings sind Technik und Taktik, um so lange wie möglich am Leben zu bleiben.

Der Vorteil einer kleinen Gruppe zeigte sich auch in der Beantwortung und Klärung vieler individueller Fragen. Am Ende dieses Tages kann Berufsfeuerwehrmann Tobias sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass er sich auf das bevorstehende Wellnessproramm für uns freue und die Praxis alle Beteiligten an ihre Grenzen bringen wird.

Am Sonntag folgt die Praxis in der Wasserübungshalle, deren Becken 23 mal 10 Meter misst und verschiedene Wellentypen sowie Wind, Regen, Gewitter und Dunkelheit simulieren kann. Alle Teilnehmer trainieren in Überlebensanzügen und Schwimmwesten. Das 5-köpfige Team unterweist vor jeder Übung sehr sorgfältig und ist jederzeit bereit einzugreifen, sofern es notwendig ist. Es herrscht von Beginn an eine vertrauensvolle Atmosphäre.

Bereits nach den ersten Übungen ist klar, warum es elementar wichtig ist sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. In Extremsituationen geht es für jeden Menschen nur ums Überleben, doch in der Angst geraten wir schnell in Panik und handeln in der Folge falsch. Dies kann mitunter fatale Konsequenzen haben.
Umso wichtiger ist es, die Abläufe – wie in anderen Notsituationen beim Fliegen – immer wieder durchzugehen und zu trainieren, um im Ernstfall einen möglichst routinierten und sicheren Ablauf zu gewährleisten.

Das Praxistraining ist anstrengend und kräfteraubend, insbesondere durch den Überlebensanzug. Aber auch der starke Wellengang und eiskalter Regen sorgen für eine große Herausforderung z.B. beim Klettern in die Rettungsinsel. Berührungsängste sind fehl am Platz, der Kurs ist von Beginn an eine Einheit:

Gegenseitige Hilfe ist unerlässlich, die Gruppe spricht sich gegenseitig Mut zu, um durchzuhalten bis auch der letzte Teilnehmer in Sicherheit ist.
Zusammenbleiben ist Grundvoraussetzung, sei es um Aufmerksamkeit zu erzeugen oder sich in fortzubewegen. Die Gruppe trennt sich unter keinen Umständen.
Neben dem Ausstieg aus dem Flugzeugrumpf, sei es in Normallage oder nach einer Drehung über Kopf, ist das Highlight sicherlich die Rettung mittels Seilwinde. Den Downwash des Rettungshelikopters simuliert ein großer Deckenventilator über der Windenvorrichtung – viel praxisnaher geht es wohl nicht.

Das Verwenden von Signalmitteln wird nicht nur theoretisch besprochen: Zum Abschluss lösen wir auf einem sicheren Platz vor der Einrichtung die Signalfackeln aus und brennen diese ab.
Die erschöpften, aber zufriedenen Teilnehmer waren sich einig, dass es eine sehr lehrreiche Veranstaltung war, die trotz aller Anstrengung viel Spaß bereitet hat und allen für die Zukunft deutlich mehr Sicherheit für den Fall der Fälle gibt.

Es ist eine Investition, die sich für alle lohnt, die über offenes Wasser fliegen und wissen wollen was zu tun ist, wenn eine Notwasserung unausweichlich ist. Im Fall der Fälle wird man sich dankend an dieses Training zurückerinnern. Eine Wiederholung hat die Gruppe eingeplant: Spätestens in 10 Jahren, denn ein Teilnehmer war bereits beim ersten Kurs dabei und stellte fest, dass auch beim Thema Sea Survival die Zeit nicht stehen bleibt.
Tilman Nebelung

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