Im August 2019 hat Textron einen Großteil der Kolbengetriebenen Flotte für die Flugkraftstoffe AVGAS UL91 und AVGAS 100VLL freigegeben. Hierzu wurden die Service Bulletins SEB-28-01 und MEB-28-01 herausgegeben. Die Umrüstung beinhaltet ein Supplement zum Flughandbuch und neue Aufkleber für die passenden Flugkraftstoffsorten, welche an den Einfüllstutzen angebracht werden sollen. Flugwerften können die passenden Papierkits bei Textron erwerben und die Änderung damit zulassen. Der Straßenpreis für diese Änderung liegt bei etwa 500 €.

Bereits seit dem Juli 2015 gibt es für den Flugkraftstoff AVGAS UL91 und die Kraftstoffe Hjelmco 91/96 UL bzw. 91/98 UL die Standard Changes SC-202 und SC-203. Mit diesen Standardänderungen können bestimmte Flugzeuge im Rahmen der Eigner-Piloten-Instandhaltung für den Betrieb dieser bleifreien Kraftstoffe freigegeben werden.

Angewendet werden dürfen die Standardänderungen an allen technisch nicht komplizierten  Luftfahrtzeugen, die durch einen oder mehrere Ottomotoren angetrieben werden. Die Motoren und das
Flugzeug müssen zudem für Mogas RON95/MON 85 oder Grade 80 Aviation Gasoline zugelassen sein.

Technisch komplizierte, motorgetriebene Flugzeuge sind in der VO(EU) 2013/1008 in Artikel 2 definiert ab 5700 kg MTOM, einer Mindestcrew von zwei Piloten, einer Zulassung von mehr als 19 Passagieren oder solche mit einem Jet-Triebwerk oder zwei Propellerturbinen.

Den für das Flugzeug zugelassenen Kraftstoff kann man entweder dem Flughandbuch entnehmen, oder dem Kennblatt des Musters. Für Flugzeuge nach Annex I (insbesondere Oldtimer und Replika sind hier betroffen) findet man die Kennblätter in Deutschland im sogenannten blauen Buch des Luftfahrtbundesamtes (https://tinyurl.com/2021LBABlauesBuch). Bei den EASA-Flugzeugen schlägt man in der EASA Produktliste das passende Kennblatt nach (https://tinyurl.com/EASAProductList). Das Kennblatt kann man dann zum Beispiel per google direkt suchen, oder man schaut in der EASA-TCDS-Datenbank nach (https://tinyurl.com/EASATCDS). Oft
verweist die EASA auf die entsprechenden FAA Kennblätter, die dann auch bei der FAA zu finden sind (https://tinyurl.com/FAATCDS).

Für den alten Flugkraftstoff AVGAS 80/87 gibt es mehrere Bezeichnungen, die in Handbüchern oder Kennblättern genannt werden, wie „grade 80 Avgas“, „80 Minimum“, „80/87“, „80“ oder „80 octane fuel or lower grades“ oder ähnliches.

Auch Flugzeuge mit einer bereits durchgeführten Mogas-STC erfüllen die Anforderungen der  Standardänderungen, wenn sie ansonsten gemäß Kennblatt nur für Avgas 100/100LL zugelassen sind, wie beispielsweise die Cessna 172P. Um die Standardänderung einzurüsten haben wir eine Vorlage aller
benötigten Formulare und Handbuchergänzungen erstellt. Die Unterlagen können hier per Download (EASA Form 123 und AFM Supplement) oder per Email an info@aufwind.aero kostenlos bezogen werden. Die zu ändernden Bereiche sind in der Vorlage farblich hervorgehoben.

Zunächst wird das Form123 angepasst. Das Form 123 bescheinigt die Zulässigkeit der vorgenommenen Änderung. Es muss in zweifacher Ausfertigung abgelegt werden. Eine Kopie wird in die Wartungsakte des Flugzeuges geheftet und eine Kopie verbleibt bei demjenigen, der die Änderung verantwortet – also entweder der Eigentümerpilot, ein freier Freigabeberechtigter oder eine Flugwerft. In Feld 1 des Form 123 muss der  Standardänderung eine individuelle Nummer zugeordnet werden. Pragmatisch ist eine Kombination aus Kennzeichen und Jahr, eventuell mit einer laufenden Nummer angehängt. Im Beispiel ist DEABC-SC-21001 also die erste Standardänderung der D-EABS im Jahr 2021. Hier kann man aber vollkommen frei agieren, eine genaue Vorgabe gibt es nicht. Feld 3 definiert nun das Flugzeug. Es muss hier genaue Bezeichnung (Hersteller und Modell), Seriennummer und Kennzeichen eingetragen werden.

An jeder Öffnung an einem Flugzeug, in die Betriebsmittel wie etwa Motoröl oder Kraftstoff eingefüllt wird, muss beschrieben sein welche Flüssigkeit in welcher Menge in den jeweiligen Tank gefüllt werden darf. Daher müssen die neuen Kraftstoffsorten mit Aufklebern ausgestattet werden. Je nach Flugzeugtyp kann es mehrere Tankeinfüllstutzen geben. Die Cessna 172 hat in der Regel zwei Tanks, ein Bölkow Junior hat eine Tankfüllung  und eine DR250-160 hat vier Einfüllstutzen. Die Anzahl der Tanks definiert die Anzahl der benötigten Aufkleber. Dies wird in Feld 4 angepasst.

Neben den Aufklebern muss auch das Flughandbuch darüber informieren, welche Kraftstoffsorten zulässig sind. Da das originale Handbuch nicht einfach so geändert werden kann, bedient man sich des Mittels der Ergänzungen, oder auch Aircraft Flight Manual Supplements. Die Dokumentennummer des  Supplements passen wir in Feld 5 an. Es ist pragmatisch, hier die Nummer der Standardänderung aus Feld 1 aufzugreifen.

Letztlich muss dann noch das Datum der Änderung in Feld 10 angepasst werden. In Feld 11 unterschreibt dann entweder ein Freigabeberechtigter nach Teil-66 oder der Eigentümer-Pilot, sofern Pilot-Eigentümer-Instandhaltung gemäß Instandhaltungsprogramm zulässig ist.

In Feld 12 unterschreibt dann der Eigentümer des Flugzeuges, dass er die relevante Dokumentation erhalten hat. Dies sind insbesondere das Form 123, die Handbuchergänzung und die Freigabebescheinigung im Bordbuch. Nach dem Form 123 muss die Handbuchergänzung angepasst werden. Auf dem Deckblatt wird als erstes die Dokumentennummer angegeben, sowie das Datum der Änderung. Die Dokumentennummer muss identisch sein mit der Angabe in Feld 5 im Form 123.

Auf Seite 2 wird die Tabelle unter „Approval“ entsprechend den Beispielangaben das Flugzeug definiert und  das Dokument freigegeben. Derjenige, der das Form 123 unterzeichnet kann dann hier unter „Release“ ebenfalls das Aircraft Flight Supplement unterzeichnen. Diese Handbuchergänzung ist im Flugzeug mitzuführen.

Im Handbuch sind die benötigten Aufkleber für die Tankeinfüllstutzen beschrieben. Diese sollen nun auf dem  Flugzeug angebracht werden.

Um das Flugzeug nach erfolgter Änderung wieder zum Verkehr freizugeben, muss noch die Freigabebescheinigung in das Bordbuch eingetragen werden. Man kann hier entweder vorhandene  Aufkleber/Stempel nutzen, oder aber einen handschriftlichen Eintrag vornehmen:

<Datum> Einrüstung der Standardänderung zur Verwendung bleifreier Flugkraftstoffe gemäß DEABC-SC-2011 und AFMS-DEABC-SC-2011

Hiermit wird bestätigt, dass die oben angegebenen Aufgaben als eingeschränkte   Piloten/Eigentümerinstandhaltung durchgeführt, alle Vorgaben aus Teil-ML eingehalten worden sind und das  Luftfahrtzeug im Sinne dieser Arbeiten als Lufttüchtig betrachtet wird und für den Betrieb freigegeben wird.

DE.FCL.12345678, Name, Unterschrift.

Abschließend muss die Änderung noch in die Liste der durchgeführten  Änderungen in der Wartungsakte eingetragen werden.

Der Autor Malte Höltken begann mit 13 Jahren zu fliegen und zu  schrauben. Er hat seine Faszination für die Fliegerei zum Beruf und hat seinen M.Sc. in Luftfahrttechnik an der RWTH in Aachen gemacht. Er arbeitet in der Zulassung von Flugzeugen und Änderungen sowie mit seiner Firma  AUFWIND GmbH in der Beratung und Schulung von Piloten-Eignern für die Wartung und Lufttüchtigkeit ihrer  Flugzeuge. Er ist Prüfer für Flugzeuge, Betreiber einer Flugwerft in Pattburg und einer Lake Buccaneer, mit der er  Daten zur Erforschung von Plastikmüll in unseren Ozeanen sammelt.