Im Mai letzten Jahres wurden die überarbeiteten Regeln für den Flugbetrieb herausgegeben (Rules for Air Operations). Dieses Werk unterliegt seit der Erstausgabe der laufenden Überarbeitung, wobei neben einigen Regeln das GM (Guidance Material) und die AMC (Acceptable Means of Compliance) verbessert und ergänzt werden. Seit dem 30. Oktober 2022 sind wieder einige Änderungen in Kraft getreten, über die wir hier informieren wollen.
Teil 1 dieses Artikels finden Sie hier.
Neu ist die Regelung, dass der verantwortliche Pilot bei kontrollierten Flügen zusätzlich der Flugsicherung den Status „MINIMUM FUEL“ melden muss, wenn beabsichtigt ist, an einem bestimmten Flugplatz zu landen und jede Abweichung von einer dafür gegebenen Freigabe dazu führen würde, dass bei der Ankunft weniger als die final reserve/energy vorhanden wäre.
Hier wird zusätzlich nochmal festgelegt, dass für den Fall, dass die final reserve/energy angebrochen werden muss, ein fuel/energy emergency mit der Meldung „MAYDAY MAYDAY MAYDAY FUEL“ erklärt werden muss.
Da der FRF je nach Art des Fluges variiert ist dies auch sinnvoll, da ATC hiervon keine Kenntnis hat. Die „Fuel Calls“ sind für kontrollierte Flüge vorgeschrieben, für unkontrollierte empfohlen. Im Bereich NCO verzichtet man im Gegensatz zu den Bereichen NCC und SPO auf die Festlegung, wie sich der gesamte Kraftstoffvorrat zusammensetzen muss. Entsprechend NCC und SPO muss die Planung enthalten:
• Taxi fuel/energy (Kraftstoff der voraussichtlich für die Rollbewegungen notwendig ist)
• Trip fuel/energy (Kraftstoff für den Flug zum Bestimmungsflughafen)
• Contingency fuel/energy (Kraftstoff für unvorhergesehene Fälle: 5 % des trip fuels oder 5 Minuten Holding am Zielflugplatz)
• Destination alternate fuel/energy (Kraftstoff, um zum Ausweichflugplatz zu fliegen)
• Final reserve fuel/energy (Reserve, wie oben beschrieben, ehemals holding fuel)
• Additional fuel/energy (Zusatzkraftstoff für außergewöhnliche Fälle, falls dafür die Summe der gesamten Kraftstoffmenge außer Taxi fuel/energy nicht ausreicht)
• Extra Fuel/energy (zusätzlicher Kraftstoff/Energie, um voraussichtliche Verzögerungen oder besondere betriebliche Einschränkungen zu berücksichtigen)
• discretionary fuel/energy (Kraftstoff, den der Kapitän zusätzlich anfordert)
Diese umfangreiche Planung und Berechnung bleibt dem privaten Betreiber glücklicherweise erspart, was allerdings nicht bedeutet, dass man außergewöhnliche Fälle und den damit verbundenen Kraftstoffbedarf außer Acht lassen kann.
Denn in NCO.OP.125 ist festgelegt:
„Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hat sicherzustellen, dass die an Bord mitgeführte Kraftstoff-/Energie- und Ölmenge unter Berücksichtigung der Wetterbedingungen, aller die Leistung des Luftfahrzeugs beeinflussenden Faktoren, aller während des Fluges zu erwartenden Verzögerungen und aller nach vernünftigem Ermessen zu erwartenden Unwägbarkeiten, die den Flug beeinträchtigen könnten, ausreichend ist.“
Im Normalfall also:
Taxi fuel/energy (in and out)
Trip fuel/energy
Contingency fuel/energy
Destination alternate fuel/energy
Extra fuel/energy
Bestimmungsausweichflugplatz (destination alternate aerodrome)
NCO.OP.140 Destination alternate aerodromes – aeroplanes
Hier wollen wir etwas grundsätzlicher beginnen. Alle Wetterbedingungen des Ausweichflugplatzes gelten grundsätzlich für den Zeitraum von einer Stunde vor bis einer Stunde nach ETA, für den isolated airport +/- 2 Stunden. Der isolated airport muss sehr gutes Wetter aufweisen, nämlich ein Ceiling von 1.000 ft über Landeminimum und zusätzlich 4.000 m zur veröffentlichten Mindestsichtweite, jedoch Minimum 5.500 m. IFR Flüge sind grundsätzlich mit Alternate zu planen, Ausnahme: der Zielflugplatz hat während +/- 1 Stunde zur ETA Landeminima von 1.000 ft above DH/MDA und mindestens 5.000 m Sicht. Dann kann IFR ohne ALTN geplant werden. Basiert der Anflug am Zielort auf GNSS, dann darf der Anflug auf den Ausweichflugplatz nicht darauf basieren, es sei denn umfangreiche Ausrüstung ist an Bord und Boden vorhanden (SBAS, ABAS, RAIM).
In diesem Falle muss ein zweiter Ausweichflugplatz gewählt werden, der Anflug muss konventionell erfolgen oder man hat soviel Reserve, dass man anderswo sicher landen kann, sollte GNSS nicht zur Verfügung stehen. Auf der gesamten Strecke, also zum Ziel- und danach zum Ausweichflugplatz müssen die Wetterbedingungen ausreichend oder besser sein als gefordert. (VIS, Clouds, Ice, Terrain, Turbulence etc.) Da kann und muss sich jeder selbst etwas daraus stricken. Die folgenden Zuschläge beziehen sich immer auf das Landing Minimum des Alternate Aerodromes.
DH/MDA < 250 ft | + 200 ft, min. 1.500 m |
DH/MDA > 250° | + 400 ft, min. 3.000 m |
No DH/MDA | ceiling min 2.000 ft und minimum safe IFR height. und min. 5.000 m Sichtweite. |
Abflugbedingungen (take-off conditions)
Zwingende, allgemeine Aussagen werden hier nicht gemacht. Es sind die take-off minima der Flugplatzkarte zu verwenden. Ist keine RVR verfügbar, kann die Sicht selbst bestimmt werden und muss ausreichend sein, die Minima der take off runway zu erfüllen. Hierbei könnte man die Lampen zählen (runway edge lights: Abstand max. 200 ft für HIRL), wie auch in der kommerziellen Luftfahrt üblich. Bei Twins ist sicher der take-off alternate airport zu bestimmen, der in einer bestimmten Distanz liegen und mit geeigneten Wetter Minima für einen Anflug mit nur einem Motor aufwarten muss.
Anflugbedingungen (Approach and landing conditions)
NCO.OP.205 Approach and landing conditions – aeroplanes
Hier gibt es wenig Neues. Die neue Vorschrift ist eng an die Vorgaben für die kommerzielle Luftfahrt angelegt. Es sind die Besonderheiten des Zustandes von Flugzeug, Besatzung, Flugplatz und Terrain zu beachten und eventuell darauf hinzuweisen. Die Landedistanz ist zu bestimmen. Man kann das beispielsweise so verstehen, dass man im Briefing folgendermaßen formuliert: „Wir fliegen die 18 in EDXX an, es steht im Norden ein neuer Kran, unser Flugzeug ist okay. Die Bahn ist naß, die Landedistanz beträgt etwa 600 m, die Bahn hat 1500 m, also ausreichend. Landen wir, nehmen wir Taxiway „E“ rechts raus, müssen wir durchstarten, fliegen wir geradeaus bis 2,5 DME „ABC“ und 1500 ft dann links nach „ABC“ 4000 ft ins Holding. Achtung auf die Berge im Norden.“
Beginn und Fortführung von Anflügen (Commencement and continuation of approach)
NCO.OP.210 Commencement and continuation of approach – aeroplanes and helicopters
Beginnen wir beim Circling. Solange wir inbound on instruments sind, fliegen wir den missed approach der Instrument Runway.
Sollten wir die visuelle Referenz während des Circling verlieren, so soll man den initial climbing turn zur Runway fliegen, in der protected circling area bleiben und dann den missed approach der instrument runway fliegen. Hier spricht die EASA sogar von der Möglichkeit eines climbing S-Turns (end of downwind, base), um wieder auf die Anfluggrundlinie zu kommen, alles natürlich innerhalb der circling area – auf der circling side (!) Den Anflug nach Erreichen des Minimums fortsetzen kann man nur, wenn visual reference zur Bahn hergestellt ist. Hier werden explizit
Markierungen und Lichter genannt, nichts Neues. Neu ist hingegen, dass analog zur kommerziellen Luftfahrt der Umgang mit kritischen RVR-Werten aufgeführt ist. Hier gibt es zwei Schwellenwerte zu beachten: RVR 550 m und 1000 ft über der Elevation. Wenn die RVR kleiner als 550 m beträgt, ist der missed-approach erforderlich solange wir über 1000 ft über Grund sind. Liegt die DH über 1000 ft muss der Anflug ebenfalls abgebrochen, der final-approach darf hier gar nicht erst begonnen werden. Der Anflug mit RVR kleiner 550 m darf begonnen, aber eben nicht tiefer als 1000 ft GND durchgeführt werden.
Nun zu dem Wert von 1.000 ft GND: bis hierhin können wir ja ohnehin fliegen, auch wenn die Werte schlechter als 550 m liegen. Bei 1.000 ft fällt aber nun die Entscheidung. RVR zu klein: missedapproach. RVR ausreichend: continue.
Waren die RVR Werte über und bei 1.000 ft ausreichend und wir führen den Anflug fort, gibt es nun eine Besonderheit: auch wenn die RVR Werte unterhalb von 1.000 ft zurückgehen, können wir den Anflug fortsetzen (fly and see). Bei Erreichen des Minimums muss visuelle Referenz zur Landebahn hergestellt sein, um zu landen.
Nun erscheint das auf den ersten Blick grotesk: über 1.000 ft muss ich durchstarten, unterhalb von 1.000 ft darf ich weiterfliegen, wenn die RVR unter 550 m fällt, warum das?
Stellen wir uns folgendes Szenario vor: während des gesamten Anfluges waren ja die RVR Werte für uns ausreichend und wir flogen ganz normal weiter. Nun zieht eine Nebelbank ganz kurzfristig über den Platz und verschlechtert die RVR für sehr kurze Zeit. Wir befinden uns schon unterhalb der genannten 1.000 ft und hier möchte man jetzt keine unnötige Unruhe in das Verfahren bringen. Sehen wir am Minimum nichts, starten wir ja ohnehin durch, ist die Nebelbank weitergezogen wird gelandet, die Werte waren ja während des gesamten Anfluges, mit Ausnahme einer sehr kurzen Zeitspanne, ausreichend für unseren Anflug.
Dies ist zugegebenermaßen eine etwas seltene Situation, aber hier lehnt sich die EASA an die Verfahren unter CAT (Commercial Air Transport) an.
Welche RVR ist denn für uns maßgebend? Die RVR der touchdown-zone „shall be the controlling one“. Bei Ausfall dieser wird die zweite (mid-point) verwendet.
Beispiel:
600-500-500 | Anflug okay |
500-800-800 | below minimum |
NIL-600-400 | Anflug okay |
Nochmals zur Erinnerung: bei fehlender RVR, aber reported VIS, kann die RVR vom Piloten abhängig von der Art der Befeuerung selbst bestimmt werden. Dies gilt besonders bei Nacht, da hier die Faktoren, mit denen die VIS hochgerechnet wird, größer sind.
NPA (non precision approaches) sollen grundsätzlich als constant descent final approaches (CDFA) geflogen werden, der missed approach wird dann an der MDA durchgeführt. Bei allen Anflügen ist beim Briefing des missed approaches darauf zu achten, dass man den missed approach point erwähnt, denn den (MAPt) muss ich geradeaus inbound überfliegen, bevor ich kurven kann.
Wie bereits erwähnt, können hier nicht alle Änderungen auf mehr als 2.000 Seiten besprochen werden. Durch die Zusammenstellung der aktuell gültigen Regeln in Form der „easy acces rules“ ist es sehr einfach, sich umfassend zu informieren. Man findet neben den Vorschriften die Durchführungsverordnung (AMC) und das begleitende und erklärende Material (GM) sinngemäß eingeordnet. Vielleicht kann dieser Artikel eine Anregung für den interessierten Leser sein, dort wieder einmal hineinzuschauen.
Thomas Neuland
Hans-Peter Walluf