Am 1. September 2022 spätabends erreichte uns endlich die Nachricht, auf die wir lange gewartet haben: Das bleifreie Avgas des Herstellers GAMI mit 100 Oktan wurde von der FAA für alle Flugmotoren zugelassen. Bislang bestand eine Zulassung dieses Kraftstoffes für etwas mehr als 600 Flugmotoren, die allerdings allesamt keine Turbolader hatten. Avgas G100 UL kann jetzt aber nach Erhalt eines Supplemental Type Certificates (STC, auf Deutsch ergänzende Musterzulassung) in allen Motoren verwendet werden. Dies beinhaltet ausdrücklich auch die kritischen großen turbogeladenen Kolbentriebwerke von Continental und Lycoming, für die bislang kein bleifreier Treibstoff zur Verfügung stand.
Die FAA-Zulassung des Avgas G100UL wurde uns von GAMI bereits während der AERO Friedrichshafen für den Mai diesen Jahres angekündigt. Allerdings kam es noch zu Verzögerungen, da die FAA-Zentrale offenbar die Unterlagen ihrer zuständigen Fachabteilung noch einmal grundsätzlich überprüfen wollte. Böse Zungen behaupten, dass der freundliche Wettbewerb von GAMI hier großen Druck auf die FAA ausgeübt hat. Denn bislang war es das erklärte Ziel der FAA in einem mit Steuermitteln finanzierten Projekt namens „PAFI“ einen Treibstoff zu finden, der auch ohne STC als 1:1 Ersatz für Avgas 100LL verwendet werden kann, und für den keine Patentgebühren gezahlt werden müssen. Darauf haben sich die US-Kraftstoffhersteller auch konzentriert und verlassen, der PAFI-Prozess hat allerdings über Jahrzehnte nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Dass die Mineralölindustrie jetzt von einem neuen Wettbewerber auf der Standspur überholt wird, ist ihr sauer aufgestoßen. In einer Anhörung des US-Repräsentantenhauses am 28. Juli zum Thema „wie verbleites Flugbenzin amerikanische Kinder vergiftet“ erklärte GAMI auch die Frustration darüber, dass die FAA-Zulassung ohne für sie ersichtlichen Grund verschleppt würde, was den anwesenden Vertretern der Umweltbehörde gar nicht gefallen hat. Fünf Wochen später hat die FAA dann geliefert und die Zulassung erteilt.
Wie wir alle wissen, ist es aber von dem Erhalt einer Zulassung bis zur Markteinführung noch ein langer Weg. Positiv ist auf jeden Fall, dass es jetzt ein zugelassenes Avgas für alle Flugmotoren gibt, das ohne das weltweit geächtete Additiv Tetraethylblei (TEL) auskommt. Damit kann das für unsere Branche apokalyptische Szenario ausgeschlossen werden, bei dem nach einem möglichen Verbot des Additivs TEL in einigen Jahren für einen Großteil unserer Flotte kein Treibstoff mehr zur Verfügung steht.
Wie geht es weiter? Wir wissen, dass GAMI mit mehreren Kraftstoffherstellern in Verbindung steht, die das GAMI G100UL in ihr Angebot aufnehmen wollen. Zu erwarten ist leider auch, dass der Preis von G100UL über dem von Avgas 100LL liegen wird. Wie hoch, das traut sich niemand zu sagen. Denn die verwendeten neuen Additive sind deutlich teurer als das bislang verwendete TEL. Der Aufpreis wird auch stark davon abhängen, in welchen Mengen der Kraftstoff produziert wird, und ob es noch weitere Wettbewerber geben wird.
So schließt der Präsident der AOPA-USA Mark Baker seine Presseerklärung auch mit dem Statement:
„Alle Kraftstoffhersteller werden weiterhin ermutigt, ihre eigenen Entwicklungen fortzusetzen. Wir würden es gerne sehen, dass mehrere Kraftstoffe verfügbar sind, die auch funktionieren, wenn sie miteinander vermischt werden. Und Wettbewerb ist immer gut für die Märkte.“
Einen Artikel der Kollegen der AOPA-USA mit YouTube Interview finden Sie hier.