Stand: April 2012

Die AOPA hat am 02.07.2011 erneut Verfassungsbeschwerde eingereicht
Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 14.04.2011 leider negativ entschieden
Noch immer wurde kein Terrorist mit der ZÜP gefangen
Die AOPA-Germany kämpft weiter vor Gericht und bei der Politik!!!

Was ist die ZÜP?

Sie wurde für alle Piloten durch das Luftsicherheitsgesetz Anfang 2005 eingeführt, zugleich mit dem vom BVerfG für verfassungswidrig erklärten Schießbefehl gegen Flugzeuge, nachdem ein Geistesgestörter mit einem entführten Motorsegler und ohne Lizenz über Frankfurt gekreist war. Obwohl dies eindeutig kein terroristischer Akt war, behaupteten deutsche Politiker, dass alle Piloten wegen des 11. September in New York gefährliche Terroristen sein könnten. Dies könne nur durch eine Überprüfung verhindert werden.

 

Datenbanken / Datenmonster

Wir Piloten gelten offensichtlich als so gefährlich, dass sowohl bei dem Erstantrag zur ZÜP, als auch bei Wiederholungsüberprüfungen bei diesen Behörden und Stellen Informationen eingeholt und Daten gesammelt werden:

 

  1. Polizeivollzugsbehörden der Länder
  2. Verfassungsschutzbehörden der Länder
  3. Bundeskriminalamt
  4. Zollkriminalamt
  5. Bundesamt für Verfassungsschutz
  6. Bundesnachrichtendienst
  7. Militärischer Abschirmdienst
  8. Stasi – Unterlagenbehörde
  9. Ausländerzentralregister
  10. Ausländerbehörden
  11. Flugplatzbetreiber
  12. Luftfahrtunternehmen
  13. Arbeitgeber

Es gibt keine Zuverlässigkeitskriterien / Negativkriterien

Es gibt bis heute keine gesetzliche Definition der Unzuverlässigkeit oder einen Katalog der Kriterien, weder im Luftsicherheitsgesetz noch in der VO. Die vielen Behörden haben völlig unterschiedliche Bewertungen. Für Piloten ist nicht vorhersehbar, welche Vorbelastungen zur Unzuverlässigkeit führen.

 

Es gibt zahlreiche Piloten, die aus rechtsstaatlichen Gründen die ZÜP verweigern. Diese gelten in einigen Bundesländern als unzuverlässig, in anderen nicht. Einige Piloten haben gemeint, sie hätten nichts zu befürchten und haben den Antrag arglos gestellt. Wir haben leider auch Piloten, die irgendeine Vorstrafe haben oder sogar laufende oder eingestellte Ermittlungsverfahren oder sonstige Umstände, die den Luftsicherheitsbehörden nicht gefallen, z.B. eine unbezahlte Rechnung. Nach Ansicht der Behörde in Berlin-Brandenburg gilt eine unbezahlte Rechnung in Höhe von € 36 als Kriterium der Unzuverlässigkeit.

 

Insolvenzvergehen, wechselseitige Strafanzeigen unter Geschäftsleuten oder Erben, Steuerstraftaten, Beleidigung im Straßenverkehr, Schulden mit angeblicher Erpressbarkeit führen zur Versagung der Zuverlässigkeit. Etliche Piloten sind nur deshalb vorbestraft, weil sie sich z.B. bei Insolvenzen aus Geldmangel oder in Sorge um ihren Ruf nicht gegen Strafbefehle wehren konnten oder wollten, oder weil schlichtweg Zahlungsprobleme zu Betrugsanzeigen etc. geführt haben.

Wir wollen Vorstrafen nicht bagatellisieren. Aber diese Vergangenheit hat keine Aussagekraft für die fliegerische Zuverlässigkeit oder „terroristische“ Gefahr.

 

Viele Piloten resignieren, manche kämpfen, etliche wandern mit ihren Lizenzen ins Ausland ab.

 

Die ZÜP ist ungeeignet zur Terroristenabwehr

Die Politik unserer Bundesregierung bei Fragen der inneren Sicherheit ist nicht nachvollziehbar. Dies sieht man aufgrund der Diskussion nach dem schlimmen Amok-Lauf in Winnenden. Eine Verschärfung des Waffenrechtes wird von Bundesinnenminister Schäuble abgelehnt. Die Durchsuchung bei Waffenbesitzern wird ohne konkreten Verdacht abgelehnt. Ebenso lehnt er einen Generalverdacht gegen islamische Mitbürger ab.

Anders als bei uns Piloten: Ohne jeden Verdacht müssen wir „freiwillig“ eine Durchsuchung bei allen Datenbanken selbst beantragen und bezahlen.

 

Wir hatten das BMI aufgefordert, zu den Erkenntnissen über unzuverlässige Piloten und Terroristen Auskunft zu geben, die mit der ZÜP seit 2005 „gefangen“ wurden. Die (kostenpflichtige, € 150,00) Auskunft des BMI belegt folgendes:

 

2005 = nur 0,314% der überprüften Piloten sind „unzuverlässig“

2006 = nur 0,262% der überprüften Piloten sind „unzuverlässig“

2007 = nur 0,338% der überprüften Piloten sind „unzuverlässig“

2008 = nur 0,197% der überprüften Piloten sind „unzuverlässig“

neuere Zahlen liegen nicht vor.

 

Auffallend ist, dass einige Bundesländer keinen einzigen unzuverlässigen Piloten nachweisen. Die unterschiedlichen Zahlen der Länder über überprüfte, bzw. unzuverlässige Piloten spiegelt in keinem Fall die Bevölkerungsstruktur, bzw. die Anzahl der Piloten dort wieder. Bemerkenswert ist, dass Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen angeblich überproportional unzuverlässige Piloten haben. Nach unserer Erfahrung handelt es sich nicht um Personen mit Terrorverdacht, sondern um ganz einfache Straftaten, größtenteils Insolvenzvergehen oder ähnliches, aber auch z.B. Beleidigung im Straßenverkehr.

 

Bemerkenswert ist insbesondere, dass dem BMI keine Erkenntnisse über angeblich unzuverlässige Piloten im Sinne des § 1 LuftSiG (Angriffe auf den Luftverkehr usw.), also Terroristen, vorliegen. Es stellt sich die Frage, ob der massive, bisher getätigte Aufwand überhaupt der Terrorabwehr dienen soll, wenn nicht einmal hierüber Erkenntnisse vorliegen oder gesammelt werden.

 

Nach nunmehr 7 Jahren der ZÜP wurde also kein Terrorist entdeckt.

 

Ebenso auffallend ist, dass dem BMI keine Erkenntnisse zu den Ergebnissen der Nachberichtspflicht nach § 7 Abs. 9 LuftSiG vorliegen, obwohl diese seit jetzt 3 Jahren gültig ist. Diese ständige Nachberichtspflicht, auch und gerade für Arbeitgeber und Flugplatzbesitzer hatte großen Unmut bei den Piloten hervorgerufen. Wegen des fehlenden Unzuverlässigkeitskataloges ist hierdurch jeder Denunziation Tür und Tor geöffnet.

 

Fazit

§ 7 LuftSiG und die ZÜP sind:

  • Für den angestrebten Zweck der Terrorismusbekämpfung ungeeignet.
  • Eine die Piloten ohne jeden konkreten Anlass oder Verdacht belastende Maßnahme.
  • Eine nur die Piloten mit deutscher Lizenz diskriminierende Maßnahme.
  • Eine Überwachungsmaßnahme, die ein jahrzehntelanges untadeliges Leben missachtet.
  • Ein zulasten und auf Kosten der Piloten aufgeblähter Behördenapparat.
  • Reiner Aktionismus, der den Staat nichts kosten soll.
  • Eine Maßnahme, die nur bewirkt, die Ängste der Bevölkerung vor Flugzeugen zu schüren, in dem eine Scheingefahr durch Privatpiloten und eine Sicherheitslücke behauptet wird.

Trotzdem: Generalverdacht gegen alle Piloten, auch wenn die Politik das anders nennt

Es geht um uns, aber auch um den Rechtsstaat. Es geht um unsere freiheitlichen Bürgerrechte. Erst der gläserne Pilot, dann der gläserne Bürger?!

Die AOPA hatte sich von Anfang an gegen diesen ungeheuren Generalverdacht gegen eine einzige Bevölkerungsgruppe gewandt, gegen bislang und meist jahrzehntelang völlig unbescholtene Bürger und Steuerzahler.

 

Wir wissen: es geht nur um reinen Aktionismus der Politik. Der angestrebte Zweck wird nicht erreicht. Piloten sind keine Terroristen. Sie sind auch nicht verdächtiger als jede andere Bevölkerungsgruppe. Die Gefahr kleiner Einmots und Zweimots wird gegenüber der Bevölkerung aufgebläht.

 

In den deutschen Verfassungsschutzberichten gibt es bis heute keinerlei Hinweise auf Verdachte gegen Piloten. Auch der Terrorist Atta war ein Schläfer, der nicht auffällig war. Er wäre nicht als unzuverlässig eingestuft worden. Der Irrflieger von Frankfurt war krank und hatte nicht einmal eine Lizenz. Ausländische Piloten oder deutsche Piloten mit ausländischen Lizenzen werden nicht erfasst. Die jetzt zusätzlich vom Bundesinnenminister gewünschten Sicherheitsgesetze (Online-Computerdurchsuchung, Telefonüberwachung, Nutzung der Maut-Daten, Fingerabdrücke, Passbilder, Kennzeichenüberwachung), öffnen mittlerweile vielen Bürgern die Augen. Wir Piloten wurden nur zuerst ausgesucht, da wir umfassend registriert sind und eine Minderheit darstellen.

 

Dauerüberwachung durch die Nachberichtspflicht

Gerade wahnhaft ist die Formulierung der sog. Nachberichtspflicht. Sämtliche oben genannten 13 Behörden und Stellen müssen ein Register über die angefragten Piloten anlegen. Wird irgendein Vorfall bekannt, unabhängig von den ohnehin geplanten weiteren Wiederholungsüberprüfungen, auch z. B. erst ein Ermittlungsverfahren oder nicht rechtskräftige Verfahren, muss dies unaufgefordert an die Luftsicherheitsbehörde gemeldet werden. Betroffen sind alle Piloten. Mit dem Trick der „freiwilligen Antragstellung“ wird das Datenschutzgesetz ausgehebelt und die Kostenpflicht auf den Piloten verlagert.

 

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 04.05.2010 bisher nur vorläufig entschieden

Das Bundesverfassungsgericht hatte leider ohne mündliche Verhandlung am 04.05.2010 in dem AOPA-Musterverfahren 2 BvL 09/07 die Frage der Verfassungsmäßigkeit der ZÜP nach § 7 LuftSiG entschieden. Leider wurden dort nicht alle Fragen der Verfassungsmäßigkeit wirklich geprüft. Dies lag an Formalitäten, die wir als AOPA nicht zu vertreten haben, weil nämlich das Verwaltungsgericht Darmstadt Az.: 5 E 1854/06(3) das Bundesverfassungsgericht mit einem sog. Vorlagebeschluss nach § 80 BVerfGG i.V. m. Art. 100 GG angerufen hatte. Leider hat deshalb auch ein für Verfassungsbeschwerden von Bürgern nicht zuständiger 2. Senat, des BVerfGerichtes, nur über die uninteressante Frage der Bundesratszustimmung entschieden und die sonstigen Grundrechtsfragen nur in wenigen Zeilen gestreift. Uns waren leider die Hände gebunden.

 

Leider hatte anschließend das BVerwG am 14.04.2011 die Revision in unserem AOPA Musterverfahren Az.: 3 C 20.10 zurückgewiesen

Das Gericht ging davon aus, dass es durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes s.o. gebunden sei. Es dürfe diese Fragen gar nicht mehr prüfen, sondern nur noch z.B. den Datenschutz usw. Das BVerwG sah jedoch keine Verletzung des Datenschutzes.

 

Die AOPA hat am 02.07.2011 dagegen erneut eine Verfassungsbeschwerde eingereicht

Die AOPA ist weiterhin der Ansicht, dass die vom BVerwG behauptete Bindung juristisch nicht besteht. Wir haben deshalb eine neue Verfassungsbeschwerde eingereicht, Az.: BvR 1846/11.

 

Immerhin ist jetzt, anders als bei der Entscheidung des BVerfG im letzten Jahr, der 1. Senat zuständig, der im Jahr 2011 bereits signalisiert hatte, dass er in vielen Fragen des LuftSiG anderer Ansicht ist, als der 2. Senat, der in dem leider negativen Beschluss vom 04.05.2010 zuständig war. Diese Verfassungsbeschwerde wurde bisher nicht zurückgewiesen. Aus prozessualen Gründen waren wir leider über Jahre „ausgebremst“und durften nicht früher mit einer eigenen Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

 

Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof?

Die weitere Frage einer möglichen Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, einer Institution des Europarats, wird ebenfalls von uns geprüft. Allerdings ist dieses Gericht keine allgemeine Superinstanz gegen Urteile deutscher Gerichte. Die Europäischen Menschenrechte enthalten keinen Datenschutz und keinen dem deutschen Art. 2 GG vergleichbares Recht auf informationelle Selbstbestimmung..

 

Die derzeitige Praxis der Behörden bei Verlängerung der Lizenzen:Wiederholungsintervalle für die ZÜP derzeit 5 Jahre

Die Intervalle der ZÜP wurden in einer VO ab 01.01.2009 auf fünf Jahre festgelegt. Dies bedeutet derzeit bundesweit, dass selbst die Piloten, die bereits einen positiven ZÜP-Bescheid erhalten haben, binnen 5 Jahren nach dem Ausstellungsdatum des positiven ZÜP-Bescheides unaufgefordert einen neuen Antrag stellen müssen. Nach § 5 Abs. 1 der VO sind die Piloten verpflichtet, spätestens drei Monate vor Ablauf der Geltungsdauer die ZÜP erneut (ohne Aufforderung) „freiwillig“ zu beantragen. Die Kosten betragen 30,00 € bis 80,00 €. Wird die positive) ZÜP nicht zugleich mit dem Lizenzverlängerungsantrag oder bei einer neuen Musterberechtigung eingereicht, gibt es keine neue Lizenz. Wir empfehlen derzeit keine weiteren Musterklagen bei Lizenzverlängerung.

 

Hoffnung durch EASA-FCL bei den neuen Lizenzen?

Eine Regelung wie die ZÜP gibt es bei den Lizenzen nach EASA-FCL nicht. Bisher hatten alle europäischen Staaten und Gremien eine nationale ZÜP Regelung für ihre Länder abgelehnt, obwohl Deutschland Initiativen ergriffen hatte, die anderen Staaten davon zu überzeugen.

Allerdings ist dies noch keine endgültige Hoffnung für uns deutsche Piloten. Die ZÜP wurde nicht von der Luftfahrtgesetzgebung eingeführt, sondern von dem deutschen Innenministerium mit seinem Sicherheitswahn. Da jetzt am 26.03.2012 die Einführung von EASA-FCL vorerst ins Jahr 2013 verschoben wurde, ist noch alles offen.

 

AOPA bisher: 13 erfolgreiche AOPA-Musterklagen bei noch gültiger Lizenz

Wir hatten seit Inkrafttreten der ZÜP Gesetzgebung in vielen Bundesländern Musterklagen durchgeführt und durchführen müssen. Es gibt keine einheitliche Behördenpraxis. Immerhin gibt es 23 teils sehr kleine Luftfahrtbehörden in den Bundesländern. In Deutschland gibt es 34 Verwaltungsgerichte mit unterschiedlichster Rechtsprechung, teilweise selbst innerhalb eines Gerichtes. Positiv waren immerhin 13 der von der AOPA erfolgreich durchgeführten Musterverfahren. Sie hatten auf Jahre den „Verfolgungswahn“ vieler Behörden gebremst.

 

Seit dem Beschluss des BVerfG hatten diese Gerichte die teilweise ausgesetzten Verfahren wieder angerufen. Leider hatten anschließend auch die Gerichte, die ursprünglich offensichtlich selbst Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 7 LuftSiG hatten, nun negative Urteile erlassen.

 

Die AOPA-Germany hat mit ihren Musterverfahren den mühsamen und kostenträchtigen und zeitaufwändigen Gang durch die Instanzen beschritten. Letzten Endes kann wohl nur ein Umdenken der Politik zu einer Änderung führen. Wir arbeiten weiterhin daran.

 

In jedem Fall bleiben wir politisch am Ball.Wenn Sie den Antrag zur ZÜP auch im Falle künftiger Wiederholungen leider unterschreiben müssen oder wollen (nicht jeder ist ein Widerstandskämpfer oder hat Geld und Nerven für Klagen oder Sie brauchen die Lizenz dringend). Bitte formulieren Sie zumindest Ihren Unmut oder Protest.

 

Empfehlung für Musterprotest bei ZÜP-Antrag

Auch soweit sich viele Piloten an die ZÜP „gewöhnt“ haben, wenn auch mit Zähneknirschen, und all die neuen Piloten, die ihren frischen Schein überhaupt nur mit ZÜP erhalten haben, sollten Sie weiter protestieren bei den notwendigen „Verlängerungen“, die ja alle 5 Jahre neu beantragt und ungefragt eingereicht werden müssen. Beantragen Sie die ZÜP weiterhin nur unter Vorbehalt, den wir seit Jahren empfehlen und der jetzt aktualisiert von unserer Internetseite heruntergeladen werden kann.

 

(.pdf Datei)

 

 

RAin Sibylle Glässing-Deiss