AOPA-Letter 06/12

Worum geht es? Es handelt sich um die EU-Verordnung 1079/2012 „zur Festlegung der Anforderungen bezüglich des Sprachkanalabstands für den einheitlichen europäischen Luftraum“, die ab sofort geltendes Recht ist und nicht etwa noch von jedem einzelnen Mitgliedsstaat früher oder später so oder ähnlich in nationales Recht umzusetzen ist. Die Verordnung regelt den Betrieb im gesamten Luftraum der ICAO-EUR-Region, und nicht etwa nur die Ausrüstung der in den Vertragsstaaten zugelassenen Boden- und Luftfunkstellen, sie betrifft damit auch alle bei uns verkehrenden in Drittländern zugelassenen Luftfahrzeuge. Das Ziel ist, die Frequenzknappheit im VHF-Flugfunk in Zentral-Europa bis etwa 2025 zu bekämpfen. Kurz gefasst ist nun vorgeschrieben:

  1. Ausrüstung mit 8,33 kHz-Radios für alle Neuflugzeuge ab 17.11.2013, ebenso dürfen ab diesem Tag alten Radios nicht mehr im Austausch eingebaut werden, z.B. nach Reparatur
  2. Verpflichtung zum Mitführen von 8,33 kHz-Radios für IFR-Flüge in Luftraum A,B,C ab 01.01.2014
  3. Verpflichtung zum Mitführen von 8,33-kHz-Radios bei VFR-Flügen in allen Lufträume ab 01.01.2018
  4. Ausnahmen gibt es für Staatsflüge (d.h. Polizei, Zoll und Militär) bis mindestens 2025 allgemein und für Zivilflüge auf besonders begründeten Antrag

Die Vorschrift zum Mitführen von 8,33-kHz-Radios im oberen Luftraum Europas, zuerst oberhalb FL245, seit 2007 oberhalb FL195, hatte weit weniger Entlastung gebracht als erhofft. Die EU-Kommission rechnete seit 2005 mit einem Zuwachs im Luftverkehr von 5 % pro Jahr, was zu einer Verdoppelung des Frequenzbedarfs bis 2020 oder spätestens 2025 geführt hätte. Sie war besorgt, dass dieser Frequenzmangel zum Wachstumshindernis werden könne, und prüfte gemäß einer Anfrage der IAOPA ein System der effizienteren, europaweit koordinierten Frequenzplanung. Fast alle europäischen Staaten unterstützten diese Initiative. Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich lehnten eine Aufgabe ihrer nationalen Zuständigkeiten jedoch ab und drängten stattdessen auf eine Erweiterung der 8,33-kHz-Flugflächen. Also gab die Kommission, die infolge der Single-European-Sky-Gesetzgebung nun zuständig geworden war, 2009 ein Mandat zum Ausarbeiten einer neuen Verordnung mit der 8,33-kHz-Kanäle flächendeckend und in allen Höhen vorgeschrieben werden sollten, an Fachleute von EUROCONTROL und Frequenz-Experten aus den nationalen Flugsicherungen. Ferner wurden die Vertreter der Luftraumnutzer, also NATO, IATA, AOPA und Europe Air Sports zur Mitarbeit eingeladen. Das Ergebnis ist die nun vorliegende Verordnung. Unsere Aufgabe, am vorbestimmten Ziel des Mandats durch Teilnahme an den Sitzungen eines Steering-Commitees etwas grundsätzlich zu verändern, kommt der Aufgabe gleich, die Teichfrösche zu überzeugen, dass ausgerechnet ihr eigener Teich (und nur der!) trocken gelegt werden soll. Denn die Frequenzmanager der Flugsicherungen wollen sich natürlich nicht selbst wegrationalisieren.

 

Die NATO erreichte, mindestens bis 2025 nicht nachrüsten zu müssen. Die Vertreter der Airlines waren eher auf der Seite der Flugsicherungen, hatten sie doch schon die teure Umstellung vor Jahren mitgemacht.

 

Die relativ lange Frist für die Umrüstung bei VFR-Betrieb bis 2018, die tatsächlich die meisten neuen Frequenz-Zuordnungen bringt, wurde erkauft durch den leider sehr knappen Termin für IFR-Flüge. Es handelt sich bei diesem Kundenkreis eben nur um einige hundert Flugzeuge. Mit dem Verweis auf die unnützen €-Millionen, die für Mode-S-Transponder ausgegeben werden mussten und die €-Millionen, die für das weit sinnvollere laufende ADS-B-Mandat noch auszugeben sind, haben wir eine Verpflichtung für die Flugsicherungen erreicht, wenigstens eine bestimmte Anzahl von Frequenz-Zuordnungen bis 2014 auszuweisen. Damit sollte erreicht werden, die Nachrüstpflicht für die GA aufzuschieben, falls diese Zahl – wie wir erwarten – doch nicht erreicht werden wird. Diese Bedingung ist später leider entfallen, so dass Artikel 6(6) jetzt ohne erkennbaren Sinn in der Verordnung steht.

 

Wenn schon umgerüstet werden muss, sollte das unserer Forderung nach wenigstens keine teuren EASA-Gebühren für einen „Major Change“ der Avionik zur Folge haben. Davon ist der Absatz (11) in der Begründung übrig geblieben, der nur den Nachweis der Einhaltung von Norm ED-23B als Voraussetzung zur Eintragung ins Lufttüchtigkeitszeugnis vorsieht. Wir hätten uns hier ein deutlich stärkeres Statement in der Verordnung selbst gewünscht. Beim Thema Zulassung ist auch noch unklar, ob bei nicht-kommerziellen IFR-Flügen ein zweites Radio notwendig ist. Denn in sämtlichen SES- und EASA-Vorschriften findet sich hierzu kein Verweis, und ob die deutsche Flugsicherungsausrüstungsverordnung (FSAV) sowie die anderen nationalen Vorschriften weiterhin Bestand haben werden, ist ebenfalls noch unklar. Unsere Anfrage hierzu läuft gerade.

 

Vertreter der Avionik-Industrie haben in zwei Sitzungen vorgetragen, dass sie sofort nach Inkrafttreten der Verordnung an die Vorbereitung der Produktion gehen würden, die Größe des Marktes sei ab dann bekannt, zu Lieferengpässen werde es nicht kommen.

 

Die Verordnung gilt nur für die im Anhang I genannten Länder, also Deutschland, Irland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Ungarn, die Niederlande, Österreich und UK, es könnten allerdings später weitere nachziehen. Belgien und die Schweiz bleiben funktechnisch Inseln, aber Auslandsflüge aus beiden Ländern werden nur mit neuen Radios möglich sein.

 

Prinzipiell müssen alle Funkgeräte am Boden und alle „Handgurken“ ausgemustert bzw. nach Übersee verkauft werden. Die alten 25 kHz-Radios stören beim Senden auf einem Kanal die beiden 8,33 kHz-Nachbarn und beim Empfang hören Sie nicht nur den eingestellten Kanal, sondern auch bei den beiden Frequenznachbarn mit.

 

Viele Fragen sind nicht abschließend und überzeugend behandelt worden:

  • Gibt es den Frequenzmangel wirklich?
  • Warum gibt es kein europaweit zentralisertes Frequenzmanagement?
  • Wie könnte man noch nennenswert viele 25 kHz-Kanäle einsparen?
  • Wann werden endlich Digital-Radios eingeführt?
  • Was passiert in den USA, wo man weiterhin mit 25 kHz-Kanalabstand auskommt?

Wem nützt es? Die positive Kosten-Nutzen-Betrachtung für die Luftfahrt rechnet sich so: Wenn wegen Frequenzmangel in Europa 2000 Airline-Flüge pro Tag je 1 Minute länger fliegen oder am Boden warten müssen, ergibt das im Jahr geschätzte 1,5 Millarden € unnötige Betriebskosten. Kaufen nun alle GA-LFZ-Halter in Europa für 2 Milliarden. € neue Radios, rechnet sich die Investition für die Luftfahrt schon ab dem 2.Jahr – eine Traum-Rendite wahrlich! Nur: Wo bleibt der Investor, der die eingesparten Gelder von den Airlines einnimmt und nach Abzug eines angemessenen Gewinns an die AL zurückgibt?

Dr. Klaus-Peter Sternemann

 

 

Die aufmerksamen Leser des AOPA-Letters werden sich an die diversen Artikel zum Thema 8,33 erinnern, die wir veröffentlicht haben, seitdem im Jahr 2002 die Diskussion über die Einführung des neuen Kanalabstandes auch im unteren Luftraum geführt wurde. Leider konnten wir trotz allen Engagements nicht erreichen, dass die Allgemeine Luftfahrt von diesem neuen Kostentreiber verschont wird. Wir wollten, dass stattdessen ein effizienteres Frequenzmanagement in Europa eingeführt wird, das die begrenzten Frequenzresourcen deutlich besser nutzt. Was wir durch unser kritisches Nachfragen allerdings erreichen konnten, ist eine deutlich spätere Einführung von 8,33 als ursprünglich geplant: Denn DFS und Eurocontrol wollten den reduzierten Kanalabstand ursprünglich schon ab 2008 einführen. Durch diese gewonnenen 6 bis 10 Jahre (Einführungstermin für IFR in 2014 bzw. für alle in 2018) hat sich das Problem doch etwas abgeschwächt, viele alte Radios konnten inzwischen auf freiwilliger Basis durch neue 8,33-fähigen Geräte ersetzt werden.